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AnnenMayKantereit auf der Zeltbühne

Die Kölner Band AnnenMayKantereit spielten am Gurtenfestival das dritte Konzert ihrer jungen Bandgeschichte auf einer Berner Bühne. Vom Musigbistrot vor 40 Leuten über den Dachstuhl auf den Gurten und das in nur zwei Jahren: Wer Henning May und seine Kollegen am zweiten Festivaltag erlebt hat, der ahnt, was der Rummel für eine junge Band bedeutet, deren Lieder die Herzen zum Fliegen bringen – und das generationenübergreifend, dabei sind sie doch gerade erst von zuhause ausgezogen.

Sind sie einfach nur gut erzogen? Ist das Understatement oder glauben sie wirklich, dass sie keiner kennen würde? «Guten Abend, wir sind AnnenMayKantereit» – Henning May stellt seine Band dem Publikum der Zeltbühne vor.

Aber wie sollen sie das auch verarbeiten, die Jungs aus Köln, diesen kometenhaften Aufstieg? Da hilft ihnen ihr gutes Benehmen. Wir haben vor dem Konzert in einem Telefoninterview den Gitarristen Christopher Annen gefragt, wie sich die Verschiebung der Grössenordnungen anfühlt:

Ihr bespielt jetzt die ganz grossen Festivals. Wie gefällt euch der Adrenalin-Kick vor Tausenden von Leuten?
Es ist schon krass, auf die Bühne zu gehen, wenn da 30’000 Leute stehen. Zum Glück haben wir das Stück für Stück wachsen lassen. Letztes Jahr haben wir vor 2000 bis 10’000 Leuten gespielt. Das war eine Vorbereitung, aber trotzdem: Es ist und bleibt krass.

Ihr wart 2014 das erste Mal in Bern und seid im Musigbistrot aufgetreten. Erinnerst du dich?
Wir haben vor 40 Leuten gespielt. Das war nicht mal ein Club, das war ein Café. Anlage, Mischpult, wir haben alles selbst aufgebaut. Ein supergeiles Konzert.

Hattet Ihr Zeit, euch Bern anzuschauen?
Ja klar. Wir haben auch Fussball gespielt. An einer Schule, an dem Fluss. Das muss zwei Jahre her sein. Aber letztes Jahr waren wir auch da.

«Es ist schon krass, wie sich alles verschiebt …», heisst es im gleichnamigen Song vom Album «Alles Nix Konkretes». Wer Henning May, diesen unglaublich präsenten Frontmann mit der Wahnsinnsstimme beobachtet, der ahnt, dass ihm nicht alles passt, was er auf den Konzerten erlebt. Und, bei aller Liebe, AnnenMayKantereit, selbst noch mit Flaum hinter den Ohren, versuchen ihr Publikum zu erziehen. Die bekanntesten Songs kommen ganz zum Schluss oder in der Zugabe. Es gibt einen Song, der thematisiert, dass „du nicht bei mir bist» – Anspielung auf den übermässigen Gebrauch von Smartphones, das sich zwischen die Menschen und dem, was sie erleben, geschoben hat. Das spricht Henning auch ganz konkret an im Konzert. Es gefällt ihm nicht, wenn die Leute nicht aufmerksam sind.

Wer in die Gesichter der Konzertbesucher schaut, der begreift sofort, dass die Frauen doch ganz nah bei AnnenMayKantereit sind und die Männer, die sie wahrscheinlich in grossen Teilen zum Konzert begleiten, weniger. Aber da gibt es zum Glück einen Haufen Lieder, die richtig in die Tanzbeine gehen und Cover wie «Come Together» oder «Sunny», die aber dennoch ein bisschen fremd zwischen den anderen Songs stehen, allein schon wegen der englischen Sprache – aber gibt es überhaupt etwas, was das Publikum nicht an AnnenMayKantereit liebt? Das Publikum der ADHS-Smartphone-Generation ist schlicht noch nicht aufmerksam genug oder zu wenig Woodstock. Wenn Henning und seine Mannen irgendwann vielleicht auf der Hauptbühne stehen, ist die Entscheidung getroffen, wer sich auf wen zu zu bewegen hat: Die Musiker auf das Publikum oder das Publikum auf die Musiker, oder diese Frage hat sich erübrigt, und man trifft sich in der Mitte, denn AnnenMayKantereit werden bis dahin noch das eine oder andere Konzert spielen, und auch Henning May wird begreifen, dass da unten viele stehen, für die Songs wie «Oft gefragt» aus einem Mangel und nicht aus der Erfahrung der persönlichen Fülle heraus geliebt werden. So jung, wie er ist: Er ist nicht nur ein cooler Typ, dieser Henning May, sondern ein präsenter, ein fast väterlicher Typ – und wenn es daran liegt, dass er seinen Vater auf der Bühne erwähnt. Henning May – nicht so streng mit den Fans.

Interview: Helge von Giese
Fotos: konzertbilder.ch