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Nah in der Nacht, fern am Tag – Interview mit Jessiquoi

Gestern noch Underground, morgen schon Raketenstart? Wohin? Eines steht fest: Jessiquoi navigiert selbst. Nicht umsonst stellt sie sich ihrem Publikum als Produzentin vor. Wir trafen die Musikerin nach ihrem Konzert.

Dein Leiterwagen ist so etwas wie dein Markenzeichen. Auf der Waldbühne wirkte er etwas verloren, mehr wie ein Theater-Requisit.
Ja, es war zu weit weg vom Publikum. Aber mein Programm funktioniert auch am besten morgens zwischen 1.00 und 2.00 Uhr.

Wie ist das entstanden mit dem Leiterwagen?
Ich war viel in Asien und bin sehr fasziniert von den verschiedenen asiatischen Kulturen. In Shanghai habe ich diese Holzwägeli gesehen, welche die Leute vom Land mit in die Stadt bringen, darauf Essen kochen und es verkaufen. Das fand ich perfekt. Viele Musiker, die elektronische Musik machen, haben ein Pult. Das wollte ich nicht. Es ist aber die Frage, wie es weitergeht. Ich bin mit Projektionsprogrammen am Experimentieren. Und ich baue LED-Geschichten ans Wägeli.

Die chinesische Harfe, die du heute gespielt hast: Wie hast du das Instrument kennengelernt?
Als ich mit 15 in die Schweiz kam, war ich in einer Klasse für Fremdsprachige zum Deutsch lernen. Dort war auch eine Chinesin. Wir wurden gute Freunde und sie machte mich mit chinesischer Popmusik und traditioneller Musik  vertraut. Es hat mich damals schon gepackt. Deshalb bin ich nach China gereist. Ich fand dann in Bern eine Lehrerin, die im Rahmen klassischer Musik tätig ist. Sie hat mir Harfenstunden gegeben, mir die Harfe ausgeliehen und hat mich sehr unterstützt. Sie war dann überrascht, dass ich das elektronisch umsetze. Elektronika wird in China nicht so gemacht. Die meisten meiner chinesischen Freunde mögen das aber sehr. Es ist mir wichtig, von einem anderen nicht einfach seine Kultur zu klauen, deswegen sind mir die Feedbacks von Leuten, die dort aufgewachsen sind, wichtig. Da muss man aufpassen, dass man nicht typisch daherkommt wie ein weisser, männlicher Produzent – einen Videoclip in Indien drehen, in dem indische Tänzerinnen vorkommen und mit dem Song hat es keinen Zusammenhang. Wenn ich eingeladen werde von einer Person, mich mit ihrer Kultur zu beschäftigen, ist das in Ordnung, weil ich so die Gefühle und die Geschichte eher verstehe. Meine Faszination für China geht mehr als zehn Jahre zurück und die gehört zu mir.

Hast du dich schon in Australien mit China beschäftigt?
Erst in der Schweiz. Und in der Schweiz habe ich auch erst angefangen Musik zu machen.

In einem Porträt über dich steht, dass du ungern auf deine Herkunft angesprochen wirst.
Es ist immer noch schwierig. Wenn ich sage, ich bin Schweizerin – ich bin Halbschweizerin – wird ein Teil meiner Identität verdeckt. Man sieht mir nicht an, dass ich aus dem Ausland komme. Wenn du hellhäutig und helläugig bist, wirst du sofort als Schweizerin akzeptiert. Ich kenne Leute, die nicht so aussehen wie ich, die eine andere Hautfarbe haben und hier aufgewachsen sind und werden dennoch anders wahrgenommen. Man kann es einfach nicht wissen. Wenn man nachfragt, legt man zu viel Wert darauf. Schliesslich erkennt man eine Person daran, was sie macht – hoffentlich! Was sie ist und was sie sagt. Für was sie steht.

Für dein Debüt-Album arbeitest du mit verschiedenen Charakteren pro Song. Ein paar kennt man schon: «The Rebel», «The Addict», «The Nyctophile».
Es wird wahrscheinlich drei Geschichten geben, Past, Present, Future. «Ice Queen» ist Past, «The Addict» und «The Rebel» Present, «The Pilot» Future. Games und Comics faszinieren mich. Phantasy. In diesen Geschichten werden menschliche Konflikte viel grösser dargestellt. Das ist mein Ziel. Eigentlich werden ganz einfache Geschichten erzählt. Es wird dazu eine grafische Novelle als eine Erweiterung der Texte geben.

Du bist auf der Suche nach einem Label. Ich nehme an, dass du sehr klare Vorstellungen hast und nicht gern diskutierst. Kannst du dich Zwängen unterordnen?
(Sie lacht.) Beim Videoclip habe ich das gemerkt. Ich bin zur Produktionsfirma gegangen und habe gesagt: «In vier Wochen möchte ich einen Videoclip rausgeben.» Ich habe genaue Vorstellungen. Da gab es Ideen, die waren technisch nicht möglich. Das hab ich akzeptieren müssen. Manchmal war ich ein bisschen hart mit den Regisseuren. Was das Label betrifft: Es geht um eine Zusammenarbeit und man muss sich auch mögen. Mir ist wichtig, ein gutes Team zusammenzustellen. Ich muss das Business noch besser kennenlernen. Es ist alles sehr schnell mit mir gegangen und ich nehme es sehr ernst und deshalb will ich keine falsche Entscheidung treffen. Aber es ist wirklich so: Ich habe eine klare Vision.

Interview: Helge von Giese
Fotos: konzertbilder.ch