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Interview mit Bonaparte

Wenn man sich auf ein Interview mit Tobias Jundt, aka Bonaparte, vorbereitet, dann kann man sich einer Sache sicher sein: nichts ist sicher. So unberechenbar wie sich der gebürtige Berner an seine Musik heranmacht, so erlebt man ihn auch im Gespräch. Als wir von Bonaparte vor seinem Auftritt gestern stürmisch begrüsst werden, nur um ihn dann auch gleich wieder für eine Pipipause davonflitzen zu sehen, wussten wir schon, dass wir uns unsere Fragen in die Hosentasche stecken können.

Ihr spielt heute erst in den Morgenstunden auf der Zeltbühne, du bist also erstaunlich früh hier. Was machst du mit den nächsten fünf Stunden bis zum Auftritt?

Wir waren bereits 14 Stunden unterwegs. Wir hatten ja heute eigentlich schon eine Show, um 2 Uhr morgens haben wir am Melt! Festival gespielt, direkt im Anschluss sind wir Richtung Bern losgefahren und jetzt sind wir erst gerade hier angekommen. Nach dem Gig heute geht es direkt wieder los, es ist also herrlich jetzt noch ein paar Stunden hier oben geniessen zu können! Hallo Bern! Ich werde wahrscheinlich noch einen kleinen Jodel über das Tal schicken, über das Gelände spazieren und in alten Erinnerungen schwelgen. […] Und dann treffe ich vermutlich noch Millionen Leute, die ich kenne, bis es mich zu nerven anfängt, und dann komme ich wieder in den Backstage und esse Schoggikuchen. So wird sich das in etwa abspielen.

Ich hoffe, du hast dir diesen Schoggikuchen selber mitgebracht, ich habe dir nämlich keinen gebacken. Sorry.

Ja, ich hoffe, irgendjemand hat einen gemacht! Sonst trinke ich dann halt einen Schnapps.

Ihr spielt momentan also vor allem späte Gigs und habt ein recht anstrengendes Programm, wie ist das für dich?

Ja, aber erst nach Mitternacht aufzutreten ist trotzdem besser. Gerade bei diesen Temperaturen. Und es ist auch gut, dass das Berner Publikum dann schon ein bisschen “vorgeknetet” ist für uns. Ich freue mich auch darauf, im Zelt zu spielen. Das finde ich schön. Ich habe extra Spiegel gebaut für die Bühnenkulisse – es ist ja leicht ansteigend im Zelt – dann sieht sich das Publikum in der Reflexion.

Sehr schön. Die Leute schauen sich ja gerne selber an.

Eben. Dann kann ich einfach “Play” drücken, ein Playback abspielen und es mir im Backstage gemütlich machen.

Das letzte Mal, als ich euch live gesehen hatte, liegt schon ein paar Jahre zurück. Wird man einige der alten Outfits auch auf dieser Tour sehen?

Nein, das ändert sich mit jeder Platte. Du siehst rein gar nichts auf der Bühne, das schon einmal verwendet wurde. Alles ist neu. Einzige Ausnahme sind ein Keyboard und eine Gitarre. Man muss immer wieder Tabula Rasa machen und wieder neu aufdecken, damit es spannend bleibt.

Jedes deiner Alben sieht nach einem Konzept aus. Startest du mit einer Idee und baust die Songs dann darum herum auf oder entwickelt sich das natürlich?

Nein, man muss einfach auf sein Bauchgefühl hören und dann die Eier haben, das auch durchzuziehen. Danach achte ich darauf, dass es stimmig wird. Das ist auch das schöne im Alter, als Produzent, dass man auf diese Stimmungen zu achten lernt. Das aktuelle Album, finde ich, ist stimmiger geworden als andere zuvor. Es ist wie aus einem Guss.

Du hast Bonaparte erst gegründet, nachdem du aus Bern weggezogen bist, richtig?

Ja, ich bin aus Bern weg und habe für eine Zeit lang in meinem Auto gelebt, ein 60er Jahre Fiätli. Ich hatte überhaupt nichts mitgenommen, nicht einmal eine Gitarre, vielleicht eine Unterhose…da bin ich mir jetzt nicht mehr sicher. Irgendwo in Frankreich habe ich mir dann eine Kindergitarre gekauft und habe auf dem Laptop angefangen, Songs zu schreiben. Dann bin ich weiter nach Spanien und habe dort eigentlich dann die ersten Demos aufgenommen. Berlin kam dann später. Das ist halt für Livemusik ein sehr spannender Ort. Aber nach dem ersten Berliner Winter, da ist es so kalt geworden, bin ich nach Neuseeland und habe dort ein paar Monate getourt. Das war eine sehr schöne und bewegte Zeit, in der ich viel neues Material geschrieben habe.

Hast du den das Gefühl, dass Bonaparte in Bern nicht hätte entstehen können?

Hmm….Bonaparte ist sehr schweizerisch im Kern, finde ich, weil es aus mir heraus entstanden ist. Ich meine, ich bin Berner und die Art, wie ich die Band handhabe, da sind sehr viele schweizerische Tugenden zu finden. Die Schönheiten und Widersprüche, mit denen ich hier in Bern aufgewachsen bin, haben meine Songschreibe schon sehr geprägt. Aber ich hätte hier nicht jeden Abend auftreten können. Und ich wäre wohl einfach als Verrückter angesehen worden. Aber ich vermisse Bern schon sehr, es ist ja meine Heimat…und darum ist es wunderschön für mich, auf dem Gurten zu spielen. Du hättest uns nur schon sehen sollen, als wir im Shuttlebus hochgefahren wurden…alle haben geschwärmt: “Mmh, der Heuduft, riech mal hier! Mach das Fenster weiter runter!” Es ist extrem einfach, andere mit dem Berner Fieber anzustecken.

[die Plattenfirma fordert uns auf, langsam Schluss zu machen, was Bonaparte nicht goutiert] 

Ich hab dir doch gesagt, du sollst sie ignorieren! Sprich einfach nicht mir ihr. Ignorieren heisst, nicht beachten bis sie handfest werden und dir das Aufnahmegerät aus der Hand nehmen. Also, wo waren wir…ach ja, was ich noch sagen wollte – ich glaube, man kann in jeder Stadt auf dieser Welt erfolgreich Musik machen. Was du machst, passt sich automatisch an dein kulturelles Umfeld an. Aber ich möchte nicht in jeder Stadt auf dieser Welt leben.

Das ist doch ein schönes Schlusswort. Dann bedanke ich mich doch für das Gespräch, bevor hier noch irgendwer handgreiflich wird und wünsche euch viel Spass auf der Zeltbühne später.

Interview: Lorena Blattner