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«Es ist wie ein grosses Puzzle. Und manchmal fehlt ein Teil, das geflickt werden muss»
4 Bühnen, 58 Live Acts, 350 Lautsprecher und 400 Scheinwerfer: Produktionsleiter Dominic Schilt (32) sorgt dafür, dass das Equipment an den richtigen Platz kommt und die Bands auf dem Gurten zufrieden sind.
Dominic Schilt, du bist technischer Produktionsleiter des Gurtenfestivals. Was sind deine Aufgaben?
Meine Aufgabe beinhaltet zwei Hauptteile: Sobald die Bands gebucht sind, gleise ich zusammen mit dem Produktionsleiter des jeweiligen Acts alles auf. Die Bands schicken Anforderungslisten. Manche sind 2 Seiten lang, andere 42. Dann geht man gemeinsam alles durch, das ist immer Verhandlungssache. Es wird jedes Kabel auf der Bühne definiert.
Der zweite Teil meiner Arbeit spielt sich in der restlichen Zeit des Jahres ab. Wir planen alles durch, wie zum Beispiel die neue Bühne, die wir heuer haben. Wir entscheiden, wie wir sie platzieren, wie wir sie für unsere Bedürfnisse optimieren und wie sie aussehen soll. Ich plane also die ganzen technischen Sachen. Dann bin ich die Schnittstelle zu den Technikfirmen, die hier oben arbeiten. Wir koordinieren, welche Lautsprecher wohin kommen, welche Scheinwerfer wir brauchen und so weiter. Vor dem Festival werden 24 Lastwagen Material verbaut. Darin befinden sich beispielsweise Lautsprecher, Scheinwerfer, LED-Wände, Mischpulte, Traversen und Bühnenpodeste.
Was hat sich in den letzen Jahren verändert?
Es gibt Bands, die fliegen ein, werden dann vom Flughafen abgeholt und wir organisieren alles für sie – von der Gitarre bis zum Verstärker. Hier hat sich in den letzten Jahren viel verändert. Die Bands entscheiden dies manchmal erst ein oder zwei Wochen vor der Show. Somit müssen wir auf alles reagieren können. Früher haben die Acts einen Rider geschickt, dann gab es zwei oder drei Änderungen. Heute ist das anders. Dann heisst es ein paar Tage vorher, wir kommen doch erst am Freitagmorgen statt am Donnerstag und brauchen noch Equipment.
Was ist der grösste Unterschied zwischen einem Festival und einer Hallenproduktion?
Mal abgesehen davon, dass es in der Halle nicht regnet? Es ist alles ein bisschen anders. Wenn du zum Beispiel im Hallenstadion ein Konzert machst, kommt die Band meistens mit dem kompletten eigenen Material. Muse beispielsweise reisten mit 25 Sattelschleppern an. Der ganze technische Teil von der Crewküche bis zur kompletten Bühne ist bei der Band. An einem Festival sind wir dafür verantwortlich.
Was fasziniert dich am Gurtenfestival?
Was du übers Jahr planst, ist Theorie. Dann haben wir drei Tage Zeit, dies in die Praxis umzusetzen. Das ist enorm in diesem Gewerbe. Das schöne hier ist, dass jeder reagiert und man konstruktiv zusammen Lösungen sucht, wenn Probleme auftreten. Wenn alles optimal läuft, habe ich während des Festivals theoretisch nichts zu tun. Das kommt aber nie vor. Einer hat Verspätung, einer das Gitarrenpedal in England vergessen und ein Gerät ist ausgestiegen. Das ganze ist wie ein Puzzle mit ein paar hundert Teilen. Das Ziel ist, dass das Gesamtpuzzle bis zum Festivalstart passt. Ab und zu fehlt halt ein Teil, das geflickt werden muss. Und während den Showdays planen wir schon fürs nächste Jahr. Wir führen eine Liste, was wir im nächsten Jahr alles besser machen können.
Das Herzstück des Gurtenfestivals 2016 ist die neue Hauptbühne. Was bedeutet das für dich?
Viele Jahre waren wir am Limit. Auf einmal haben wir mehr Platz, die Hände sind uns weniger gebunden. Das ist wie wenn du von einer 2- in eine 5-Zimmerwohnung ziehst. Jetzt können drei Lastwagen gleichzeitig andocken, vorher waren es nur zwei. Und wir haben hinter den Kulissen doppelt so viel Platz. Die eigentliche Bühne ist schmaler, aber die Spielfläche ist jeweils zwei Meter tiefer, höher und breiter. Für die Beschallung und Beleuchtung ist das Gold wert.
Was passiert mit der Bühne nach dem Festival?
Die Bühne wurde nach unseren Ansprüchen aus Einzelteilen gebaut. Nach dem Festival wird sie zerlegt und zum Lieferanten gebracht. Die Einzelteile werden dann in irgendeiner Form immer wieder gebraucht. Unsere Bühne war beispielsweise vorher am Rock the Ring in Hinwil im Einsatz. Gewisse Technik wurde direkt vom Openair Frauenfeld zu uns gebracht und geht dann ans Openair Lumnezia.
Was ist deine grösste Sorge während des Festivals?
Ich bin in den letzten paar Wochen 14 bis 16 Stunden täglich im Einsatz gewesen. Irgendwann dreht es nur noch im Kopf. Habe ich auch nichts vergessen? Klappt alles? Dann kommt dir wieder etwas in den Sinn. Es ist die Ungewissheit. Zeitweise erhalte ich 100 Mails pro Tag von Bands. 70 Prozent davon sind in Englisch. Wenn eine Band vom «Hoger» fährt, mache ich innerlich ein Strichli und bin erleichtert.
Auf welche Band freust du dich am meisten?
Ich bin ein grosser James-Bay-Fan. Ich finde ihn als Typ und seine Musik super. Das könnte Hühnerhaut geben. Passenger wird wohl ein bisschen ähnlich.
Und Muse sind für das Gurtenfestival ein Highlight. Die Show ist sensationell, Band und Crew einfach super. Muse sind für das Gurtenfestival aber auch eine grosse Herausforderung, wir kommen mit der Logistik an unsere Grenzen. Die Band reist mit vier Sattelschleppern an, mit denen wir nicht hinauffahren können. Das Material aller Bands, die mit Sattelschleppern anreisen, muss in Wabern in kleinere 18-Tonnen-Lastwagen umgeladen werden. Pro Sattelschlepper sind zwei bis drei LKW’s notwenig. Das ist für uns zum Koordinieren ein Riesenaufwand. Einige Bands sind geprägt von schlechten Erfahrungen in anderen Ländern. Es ist für uns ein Riesenfight, sie im Vorfeld zu überzeugen, dass bei uns alles klappen wird.
Was sind für dich die ganz besonderen Gurtenmomente?
Wenn wir uns am Montagmorgen nach dem Festival zum Zmorge treffen. Dann schwelgen wir in Erinnerungen – und fallen uns in die Arme wenn alles geklappt hat.
Interview: Nora Camenisch
Fotos: Sandra Blaser