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Bilderbuch: eine Überdosis Pop
Bilderbuch aus Wien. Eine österreichische Band erfindet den deutschsprachigen Pop neu – mit einer unglaublich interessanten Attitüde und Frechheit. Da ist was in Gange, ein Phänomen. Die Schweiz, so Leadsänger Maurice Ernst, sei für Bilderbuch ein frisches, aufregendes Territorium. Wir haben mit ihm telefoniert.
Hi, Maurice, danke, dass es so kurzfristig geklappt hat.
Na klar.
Du gibst jetzt wahrscheinlich ein Interview nach dem nächsten. Was ist denn jetzt gerade so los bei euch? Seid Ihr in Wien?
Genau. Wir hatten hier unser Open Air. Das war mal wieder ein Heimkonzert, das war super. Und eigentlich geben wir gerade gar nicht so viele Interviews, weil wir meistens nein sagen, denn es ist eh schon alles gesagt. Jetzt müssen wir wieder neue Musik machen und dann kann man wieder aus dem Nähkästchen plaudern, aber hier und da mach ich eine Ausnahme.
Schwein gehabt. Ihr habt gerade auf richtig fetten Festivals in Deutschland gespielt, Grössenordnung Rock am Ring. Stimmt das Festivalformat so für euch? Wenn ich mir euer Album Schick Schock anhöre und mir das ganze Drumherum reinziehe – insbesondere die Videos im Netz: Ich hab mich gefragt, ob Ihr das auch live transportiert.
Grundsätzlich musst du als Band deine eigene Note finden und dich nicht von Festivalsituationen beirren lassen. Deshalb kann Bilderbuch auch auf grossen Festivals spielen, weil wir unser Ding durchziehen. Dass das hier und da Überraschungen mit sich bringt, ist ja genau das Spannende.
Erinnerst du dich an euer erstes Konzert? Ist schon ein paar Jahre her.
Das war in einem Theatersaal in der Schule und ich hab die Texte von einem Blatt Papier abgelesen, die aus einem Bilderbuch herausgerissen waren. Struwwelpeter und solche Sachen, und hab das alles abgesungen. Es gibt sogar eine VHS Aufzeichnung, aber ich habe keinen Videorekorder mehr.
Fanta 4 haben mal zu Protokoll gegeben, dass für sie Konzerte in der Schweiz das Exotischste seien, was sie erleben könnten. Wie waren bisher eure Begegnungen mit Schweizer Publikum?
Wir haben das letzte Jahr ein paar mal in Zürich und Umgebung gespielt, einmal Beatsteaks Support, einmal Casper Support, in einem kleinen Bierlokal. Dadurch, dass wir erst jetzt anfangen, in der Schweiz zu spielen, macht es richtig viel Spass. Alles ist frisch, und neu und etwas absolut Besonderes für uns. Wir kommen jedes Mal überall zum ersten Mal hin.
Spielt Ihr am Gurten nur die Songs vom Album „Schick Schock“ oder kriegt das Publikum auch was anderes geboten?
Wenn wir vierzig oder fünfzig Minuten haben, dann spielen wir nur von Schick Schock, weil das grad am meisten Spass macht. In Österreich spielen wir bis zu eine Stunde vierzig, da kommen dann Songs von den ersten Alben. Wenn man die wilden Lieder von früher bringt, dann kann man in einem Konzert eine schöne Dramaturgie reinbringen. Auf Festivals ist das ein bisschen anders: Du gehst auf die Bühne und musst sofort da sein und halten können bis zum Schluss.
Unmusikalische Frage: Erzähl mir bitte mal was über deinen blauen Schal.
Wenn du ständig Bilder von dir machst oder gemacht werden und du im Winter herumläufst, dann hast du nicht jeden Tag einen anderen Schal um. Ich hab halt den blauen Schal, denn ich finde, es passt gut zu blond. Aber so einen Schal, den hat man halt jeden Tag um. Aber schön, wenn da schon Mythen entstehen …
Da sorg‘ ich doch gerne für. Werden dir schon Verträge von Modelabels angeboten?
Unser Manager lässt das gar nicht zu uns durchsickern, glaube ich. Was mir wichtig ist, wenn’s um Mode geht: Die Möglichkeiten, die wir haben, dass die Kunstrichtungen, sei es Design, Mode, Grafik, Musik, Pop – dass die wieder Hand in Hand greifen. Das ist nämlich in Österreich, als wir angefangen haben, Musik zu machen, nicht passiert. Wenn jemand Modedesign studiert hat: Das Letzte, woran der dachte, war, dass er einer Band einen Mantel gibt oder ein Shirt. Diese Wände brechen gerade ein und es tut gut zu sehen, dass sich diese Kunstformen wieder gegenseitig pushen und diese Künstler wieder was miteinander machen.
Ich habe total viel Spass an eurer Musik. Als ehemalige Germanistik-Absolventin hatte ich sofort eine sprachliche Überdosis. Was klar war: Es hat hier keinen Zweck, intellektuell ranzugehen, und am Ende bleibt nur die Musik. Und ein Mitgehen in manchen Versen. Das ist schick.
Das freut mich. Du hast es sehr gut getroffen. Ungefähr so fühlt es sich auch für mich an.
Bilderbuch am Gurtenfestival 2015: Donnerstag, 16. Juli um 22 Uhr auf der Zeltbühne
Interview: Helge von Giese